Von Sven Jessen
DILLENBURG/WETZLAR. „Die Vereinsumlage ist vom Tisch.“ Das ist eine der wesentlichen Nachrichten, die Dunja Boch von der Gesamtvorstandssitzung des Hessischen Schützenverbands mitgebracht hat.
Die Bezirksschützenmeisterin im Bezirk Lahn-Dill nahm vor kurzem an einer zweieinhalbstündigen Videokonferenz mit dem Landespräsidium, den Referenten und den Vertretern der 27 Bezirke teil. Die Videokonferenz mit insgesamt 57 Personen ersetzte die im Vorfeld der Landesdelegiertenversammlung geplante Präsenzveranstaltung in Bad Homburg.
Was der Verzicht auf eine Umlage in Höhe von 4,50 Euro je erwachsenem Mitglied für die Vereine an Belastungen bedeutet hätte, rechnete Dunja Boch für ihren eigenen Verein, den SV Steindorf, vor: „Ich bin wirklich froh, dass die Umlage entfällt. Das wären bei uns ungefähr 750 Euro gewesen“ – Geld, das Verein und Mitglieder zusätzlich an den Verband hätten abführen müssen, um die geplanten Umbauarbeiten am Landesleistungszentrum in Frankfurt zu finanzieren.
Stattdessen stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich der Fluss der Geldströme umkehren könnte. Der Landesverband hat nämlich unter anderem durch Ausgabeneinsparungen während der langen Lockdownphasen so hohe Rücklagen gebildet, dass am Sonntag sogar über eine Art „Corona-Hilfe“ an die Vereine debattiert wurde. Damit es dazu käme, müsste die Landesdelegiertenversammlung im Rahmen der Haushaltsverabschiedung zustimmen. Sie hätte am 11. April in Alsfeld tagen sollen. In der Hessenhalle ist inzwischen aber das Impfzentrum für den Vogelsbergkreis untergebracht worden.
Eine kleine Enttäuschung gab es für alle, die sich demnächst ein neues Sportgerät zulegen wollten: Die Landesbehörden pochen auf Einhaltung der Waffengesetze und verlangen auch in einer Zeit ohne sportliche Wettkämpfe den Nachweis von Aktivitäten als Sportschütze. Die Themen im Überblick:
Die Finanzlage: „Ausgabeneinsparungen stärken die Rücklagen“, mit diesen Worten hat der Verband die Zusammenfassung der Nachrichten vom Sonntag überschrieben. Vizepräsident Thomas Scholl sagte: „Daher kann auf die geplante Umlage für die Vereine verzichtet werden.“
Schatzmeister Friedhelm Wollenhaupt berichtete von einem besonderen Jahr 2020, das beispielsweise nach der Absage von Landesmeisterschaften und nach Kurzarbeit auf der Geschäftsstelle von weniger Einnahmen, aber gleichzeitig auch von deutlich weniger Ausgaben geprägt war. Der geplante Einbau der elektronischen Schießstände in die große Halle des Frankfurter Landesleistungszentrums wird nun voraussichtlich komplett aus eigenen Mitteln und Fördergeldern der öffentlichen Hand bestritten werden können.
„Corona-Hilfe“: Mit Blick auf die hessischen Schützenvereine sprach Vizepräsident Thomas Scholl von einer angespannten finanziellen Situation. Das Präsidium befürworte es, die Vereine finanziell zu unterstützen. In der Debatte war von einer Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro je Verein die Rede.
Diese Idee wird jedoch durchaus kritisch gesehen. So sagte Dunja Boch – nicht als Bezirksvorsitzende, sondern als Privatperson – in einem Gespräch mit dieser Zeitung: „Was nutzen einem Verein 100 Euro? Das ist ein Tropfen auf einen heißen Stein. Ich würde sogar sagen: Das brauchen wir nicht.“
Ein weiterer Aspekt: Kleinvereine mit wenigen Aktiven und mit wenigen Mitgliedern bekämen dasselbe wie Großvereine, die obendrein vielleicht noch Jugendarbeit betreiben. „Gerecht ist diese Gleichbehandlung nicht“, gab Dunja Boch zu bedenken.
Saison 2020 und Saison 2021: Sportleiter Otmar Martin berichtete von einer Saison 2020, in der nur einige der sonst so vielen Wettkämpfe geschossen werden konnten. Präsidentin Tanja Frank sagte mit Blick auf die abgesagten Landesmeisterschaften: „Es wurde viel Vorarbeit geleistet, die nicht genutzt werden konnte.“ Jugendleiter Stefan Rinke unterstrich die Ausführungen des Sportleiters und ergänzte, dass im Jugendbereich ein zehnprozentiger Mitgliederschwund festzustellen ist.
Sportleiter Otmar Martin kündigte an, dass die Meisterschaften 2021 wie üblich geplant wurden und nach zwei Sportausschusssitzungen per Videokonferenz der Entschluss gefasst wurde, keine Hessischen Meisterschaften auszutragen. „So bekommen wir mehr Zeit für die Bezirksmeisterschaften. Die Zeit wird immer knapper und wir wollen dem Breitensport diese Möglichkeit geben, damit überhaupt etwas stattfindet.“ Otmar Martin hofft, dass eine Qualifikation für die Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften auf den Bezirksebenen möglich ist. „Wir warten darauf, dass wir unseren Sport wieder ausüben dürfen.“
Waffenrecht und Bedürfnisanträge im Lockdown: Wie Dunja Boch als Nachricht aus der Videokonferenz mitbrachte, hat der Verband inzwischen mit dem Hessischen Innenministerium eine Reglung getroffen. Es bleibt dabei: Der 18-malige Nachweis von Schießterminen in den vergangenen zwölf Monaten muss zwingend eingehalten werden.
Das Ministerium ist der Ansicht, dass ein Einzelschießen auf den Vereinsständen selbst während des Lockdowns zu organisieren gewesen wäre. Allerdings darf die Unterbrechung der Schießaktivitäten zurzeit mehr als drei Monate betragen – vorausgesetzt, der Verein hat sein Schützenhaus wegen Corona geschlossen. Dies muss der Verein im Schießnachweis bestätigen.
Der Rat der Bezirksschützenmeisterin an alle, die sich eine neue Waffe zulegen wollen, lautet deswegen, im Laufe der kommenden Wochen und Monate 18 Schießnachweise zustande zu bekommen, und sei es als Gastschütze bei einem Verein, der es schafft, die Öffnung seines Schützenhauses und das Stellen einer qualifizierten Schießaufsicht zu organisieren.
Die Landkreisbehörden wiederum setzen die Regelüberprüfungen der Sportschützen zurzeit noch aus, teile die Bezirksschützenmeisterin mit.
Landesdelegiertenversammlung am 11. April in Alsfeld: Ein wichtiger Termin, bei dem der Haushalt verabschiedet werden soll, an dem die Finanzierung der Umbauarbeiten am Landesleistungszentrum in Frankfurt, die Finanzierung der Trainerstellen und gegebenenfalls die Finanzierung der „Corona-Hilfe“ an die Vereine hängt. Aber: „Aktuell ist die Hessenhalle in Alsfeld ein Impfzentrum und im Moment ist keine Aussage möglich, ob die Veranstaltung stattfinden kann“, sagte Präsidentin Tanja Frank. „Gegebenenfalls erfolgt eine Verschiebung in den Sommer oder Herbst oder die Landesdelegiertenversammlung findet als Videokonferenz statt.“ Abschließend ist über das weitere Vorgehen noch keine Entscheidung getroffen worden.
Deutscher Schützentag am 1. Mai in Gotha: Eine digitale Lösung wird es für den Deutschen Schützentag geben, teilte Geschäftsführer Hans Bröer mit. Aus Hessen werden folgende Delegierte teilnehmen: Präsidentin Tanja Frank, die Vizepräsidenten Thomas Scholl und Markus Weber sowie die Bezirksschützenmeister Dieter Thielmann (Schützenbezirk Rotenburg), Dunja Boch (Schützenbezirk Lahn-Dill), Manfred Winter (Schützenbezirk Nassau), Hans-Joachim Velt (Schützenbezirk Biedenkopf), Klaus-Jürgen Hensel (Schützenbezirk Marburg) und Ingmar Krausmüller (Schützenbezirk Vogelsberg).
EHRENMITGLIED HARTMUT PFNORR
Im Rahmen der Videokonferenz am vergangenen Sonntag hat der Hessische Schützenverband seinen früheren Vizepräsidenten Hartmut Pfnorr zum Ehrenmitglied ernannt. Vizepräsident Thomas Scholl würdigte die langjährigen Verdienste Pfnorrs als Vorsitzender des Schützenvereins Biebrich, als Gauschützenmeister von 2000 bis 2015 und als Vizepräsident des Hessischen Schützenverbandes von 2015 bis 2019. Pfnorr war bereits mit dem Ehrenkreuz in Gold des Deutschen Schützenbundes ausgezeichnet worden. (jes)